61km laufen – Mein zweiter Ultramarathon

Mein zweiter Ultramarathon – Hinten kackt die Ente 

 

Nach meinem ersten 6h-Lauf im Herbst 2015 folgte also nun der nächste Lauf über die Marathondistanz hinaus. Diesen Lauf fand dich über die DUV.de Seite. Dort kann man Ultraläufe nach Land und Bundesland filtern. Der „ELKU“ war noch jung und dementsprechend waren recht wenige Teilnehmer gemeldet.

Ich musste mich bewerben

 

Es war ein Einladungslauf. Man musste sich demnach mit einer Email und seiner Absicht, warum man dort gerne laufen möchte, bewerben. Als ich genommen wurde, war die Freude groß. Der Respekt allerdings auch. Wie trainiert man auf solch eine Lauf? Wie habe ich auf den 6h-Lauf trainiert? Ich entschied mich bis dahin ein paar längere Läufe im Training zu absolvieren. Vom 35km-Lauf bis zur Marathondistanz war im Training alles dabei. 6 Monate laufen nach Lust und Laune inklusive unstrukturiertem Training (ich bin damals einfach so gelaufen, wie ich Lust hatte) stand ich an der Startlinie des Elbe-Lübeck-Kanal Ultras. 

Start war in Lübeck und die Strecke lief 30km entlang des Elbe-Lübeck Kanals und auf selbem Weg wieder zurück nach Lübeck. Mein Kumpel, der damals beim 6h-Lauf mitgelaufen ist, begleitete mich auf dem Rad. Vielen Dank, Sebastian! 

Der Lauf

 

Schnell wurde mir klar, dass ich der jüngste bin. Ich wurde auch ein wenig ungläubig beäugt. Ich reihte mich am Start hinten ein. Los! Es ging los. Ich hatte mir vorgenommen einen Schnitt von 6:30min/km zu laufen. Dieses Tempo wollte ich auf 61km möglichst konstant beibehalten. Ich war alleine. Nach 5km lief ich als letzter des übersichtlichen Starterfeldes am Kanal entlang. Nach 10km erreichte ich die erste Verplfegungsstelle und nahm mir einen Schluck Cola sowie ein paar Salzbrezeln. Das Wetter spielte mit. Es war trocken, windstill und mit 10 Grad auch nicht zu kalt oder zu warm.

Allein, allein

 

Ich unterhielt mich mit meiner Radbegleitung und so verflogen die Kilometer. Wir beide alleine auf weiter Flur. In der Ferne sah ich keinen der Teilnehmer vor mir. Das war schon ein bisschen komisch und ich hoffte noch auf dem richtigen Kurs zu sein. Bei der 20km Marke, nach einer Brücke, tauchte plötzlich der nächste Verpflegungspunkt auf: „Mensch da kommt ja noch einer“, sagte einer. Ja, vielen Dank! Cola und Salzbrezeln standen auch diesmal wieder auf meiner Speisekarte. Beides hatte ich im „Training“ erprobt und wusste, dass mein Magen damit keine Probleme hatte. Meine Radbegleitung gab mir auch immer etwas Wasser zu trinken. Zusätzlich nahm ich alle 40 Minuten ein Energygel zu mir.

Da! Ich sah plötzlich einen Läufer. Er wurde schnell immer größer und ich freute mich, jemanden eingeholt zu haben. Nicht, dass mir das wichtig gewesen sei. Es motivierte einfach und machte mir Mut, wieder „dazu zu gehören“. Doch irgendwas stimmte nicht. 

Es war der Erstplatzierte. Er lief mir entgegen. Ich war so überrascht und perplex. Ich feuerte ihn an und war gleichzeitig so begeistert von solch einer Schnelligkeit. Er sagte mir, der Wendepunkt sei nah, ich bin bald da. Ich grinste, guckte auf meine Uhr und war noch 8km von der 30km Marke entfernt. 

Weiter ging es. Tempomäßig war ich gut dabei und konnte meinen Schnitt gut halten. Die Herzfrequenz stieg stetig leicht an. Auch das war mir bekannt und beunruhigte mich nicht.

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Der Puls stieg stetig an

Immer mehr Läufer liefen mir entgegen und ermutigten mich hinsichtlich der nahenden Wendemarke. Diese lag 20m erhöht von der Laufstrecke am Kanal. Nach 30km läuft man da gerne mal hoch. 

Oben angekommen gönnte ich mir eine kurze Verschnaufpause. Was gab es wieder? Ratet mal. Salzbrezeln und Cola! Ich füllte mein Wasser auf und lief wieder los. Die Teilnehmer, welche mir kurz vor der Wendemarke entgegenliefen ermutigten mich und gaben mir das Gefühl, nicht der Letzte zu sein. Nach 35 Kilometern überholte ich einen Läufer (so ein Überholmanöver entlang eines Kanals dauert vom ersten Sichtkontakt bis zum aktuellen Überholen gerne mal 30 Minuten), quatsche kurz mit ihm und lief mein Tempo weiter. 

Nach und nach konnte ich immer mehr Teilnehmer sehen und hinter mir lassen. „Hinten kackt die Ente“, wie auf mein Trainier Ralf, ein erfahrener Ultraläufer, zu sagen pflegt. Mein anfängliches „langsames“ Tempo sollte sich allmählich bezahlt machen. Nicht, dass es mir wichtig gewesen sei, welchen Platz ich belegte. Es motivierte aber, wenn man nach 3 Stunden ohne Kontakt zu anderen Teilnehmern, plötzlich jemanden einholten konnte. So lief ich weiter und weiter. Sammelte Läuferinnen und Läufer ein. Nach knapp 45km war ich mal wieder alleine unterwegs. Mir ging es nicht mehr gut. Die Kraft schwand und ich tat mich schwer, mich weiter zu motivieren.

Der Boost

 

Dann passierte etwas, was ich so noch nie zuvor erlebt hatte. Ich nahm ein Gel zu mir, es muss das fünfte an diesem Tag gewesen sein. Kennt ihr den Ausdruck „Pappfresse“? So schmeckt das dann nach fast 5 Stunden laufen. Ich wusste aber, dass mein Körper es zum Arbeiten benötigt. Runter damit. Ich ging derweil rund 10 Minuten lang. An reden war auch nicht mehr zu denken. Ich musste mich durch diesen Moment durchkämpfen und spazierte mit schweren Schritten weiter. Plötzlich zog mein Körper irgendwoher Kraft. Ich lief los und es lief wieder. Das Gel muss dermaßen positiv reingehauen haben. Als wäre nichts gewesen lief ich über die 50km Marke hinweg. „Elf noch Philipp. Das schaffst du.“, sagte ich mir.

Die Zielgerade

 

Nach rund 58km musste man mal eine Brücke überqueren und dafür einige Stufen hoch und wieder herunter gehen. Meine Radbegleitung hatte etwas zu lachen. Ich zog mich am Geländer hoch und vor Schmerz jammerte ich lautstark herum. Bergab war es nicht einfacher. Doch das Ziel war zu sehen. Weit vor mir war auch ein Läufer zu sehen. Ich wollte ihn noch einholen. Einfach so, dies motivierte mich und zog mich dem Ziel entgegen. Ich lief plötzlich einen glatten 5er Schnitt auf den Kilometer. Nichts tat mehr weh. Ich flog! 

Das Ziel kam immer näher. Der Läufer vor mir ebenso. Ich holte ihn nicht ein. Das war auch unwichtig. Ich bin angekommen. Mein Kopf war kurz leer. Man reichte mir ein alkoholfreies Bier. Ich trank es in einem Zug weg. Das tat gut! Ich bedankte mich bei Sebastian für seinen Support. Ihm schmerzte der Arsch. Nach 6 Stunden und 42 Minuten darf er das auch.  Zur Dusche musste man ein paar hundert Meter gehen. Kein Problem, dauerte nur ein bisschen. Frisch geduscht bekam ich meinen Pokal (jeder hat einen bekommen).